Mittwoch, 3. Dezember 2014

Wiedersehen mit Archie.

Archie und ich, vor zwei Jahren.
Du warst das Pferd, auf dem ich meine erste "richtige" Reitstunde hatte. Dein Rücken war der erste Pferderücken, auf den ich mich damals nach über 15 Jahren Pferdeabstinenz draufsetzen durfte. Als Schulpferd warst Du ein toller Lehrer, wenn auch mit Deinen 1,70 m Stockmaß kein kleines zartes Pferdchen, Dein Trab war mir Anfangs immer etwas zu raumgreifend und schwungvoll; Stellung, Biegung, vorwärts-abwärts Reiten - das alles war selbst mit Hilfszügeln für mich kaum möglich, aber Deine Galoppade schon immer ein Traum!
Im Schaukelstuhl sitzen ist wirklich ein Dreck dagegen.
Mitte letzten Jahres wurdest Du aus dem Schulbetrieb genommen. Dieser ständige Reiterwechsel, sechs Mal die Woche, pro Tag bis zu drei unterschiedliche Reitschüler auf Deinem Rücken, mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen - das tat Deinem Gemüt nicht mehr so gut.
Irgendwann hast Du nur noch die Ohren angelegt und einem das Hinterteil zugedreht, wenn man Deine Boxentür öffnete. Du hattest keine Lust mehr, warst ausgelaugt und gestresst, sahst eingefallen und abgemagert aus - man hätte fast meinen können, Du hättest Burn-Out.
Es tat uns allen sehr leid, dass Du nicht mehr im Unterricht mitlaufen konntest, aber es war die beste Entscheidung, Dich in Rente gehen zu lassen. Mit Deinen fast 20 Jahren, davon fast 7 Jahre im Schulpferdedienst, hattest Du es Dir auch verdient.

Du bliebst weiterhin Vereinspferd, allerdings nun mit privater Reitbeteiligung. Maximal drei feste Reiter die Woche statt drei verschiedene an einem Tag, das brachte mehr Routine in Deinen Tagesablauf, und mit viel Geduld, Zuneigung und Fürsorge kehrte auch bald wieder der Glanz in dein fuchsrotes Fell und das Leuchten in Deine Augen zurück.
Oft habe ich Dich auf dem Reitplatz oder in der Halle beobachtet. Man konnte förmlich sehen, wie Du es genießt, verwöhnt zu werden - hier mal ein Spaziergang über das Vereinsgelände, nach der Reitstunde noch etwas Grasen gehen, ein paar mehr Streicheleinheiten als früher, schicke neue Gamaschen mit passender Schabracke unterm Sattel, neues und tiptop gepflegtes Lederzeug... alles Privilegien, die ein normales Schulpferd in dieser Form leider nicht immer erfahren darf.
Ich gönnte es Dir von Herzen.

Anfang letzter Woche dann die große Überraschung.
"Willst Du nicht als Reitbeteiligung bei Archie mit einsteigen?" fragt mich Heidi, die schon seit einer ganzen Weile den Job alleine mit Ulrike macht, nachdem die dritte RB vor einer ganzen Weile aussteigen musste. Aus Zeitgründen ist es für die beiden einfacher, wenn sich doch wieder ein dritter Reiter mit beteiligen würde...
Zwei Nächte schlafe ich darüber, dann ist meine Entscheidung gefallen - ich mache mit! Zunächst erstmal wird der Dienstag mein "fester" Tag, und bei Bedarf kann ich auch mal an anderen Tagen einspringen.
Meinen Pferdepflegerjob bei Valentina muss ich dafür allerdings abgeben, was aber nicht so dramatisch ist, denn Schulpferdepfleger finden sich schneller als Reitbeteiligungen.
Sonntags drauf habe ich meinen ersten kurzen Proberitt. Es ist ungewohnt, nach so langer Zeit wieder auf Archie zu sitzen. Aber dann kommt der Dienstag, meine erste offizielle Reitbeteiligungsstunde - und ich bin begeistert! Archie läuft fleißig vorwärts, ich merke allerdings, dass er jetzt viel feiner zu reiten ist als zu Schulpferdezeiten, er reagiert viel sensibler auf meinen Sitz und meine Körperspannung, und ich muss vor allem auf meine Zügelhilfen achten, die ich sonst leider immer etwas vernachlässige, aber es klappt schon sehr gut - und da ist er wieder, der herrliche Schaukelstuhlgalopp!
Am Ende der Reitstunde strahle ich wie ein Putzeimer. Ich freue mich auf die gemeinsame Zeit mit dem alten Pferde-Gentleman. Meine Reitweise wird sich verändern, und das hoffendlich zum Positiven, denn Archie wird mir noch viel beibringen können.
Und wir werden uns bestimmt gut vertragen. :-)

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