Mittwoch, 30. September 2015

Schwimmbad Club Heidelberg - Ein Stück Erinnerung verabschiedet sich.



Ich verfiel Dir, als ich 17 war. 
Als mich eine Freundin damals fragte, ob ich "am Mittwochabend mal mit in den Schwimmes" nach Heidelberg kommen möchte, sagte ich zu, obwohl ich nicht wusste, was mich erwartet. Clubs und Discos kannte ich damals noch nicht besonders viele, und unter der Woche feiern zu gehen erschien mir zunächst sehr absurd. Warum gerade Mittwochs? Und was hat dieser Club mit Schwimmbad zu tun? Muss ich da Badeklamotten mitnehmen?
Ich wurde ziemlich schnell aufgeklärt, warum der Laden Schwimmbadclub hieß, und warum man gerade Mittwochs dorthin gehen sollte - hinter dem Clubgebäude befand sich nämlich das Gelände des Heidelberger Tiergartenbads, und Mittwochabends lief dort alternative Gitarrenmusik. Auf insgesamt vier Ebenen hatte man unbegrenzte Möglichkeiten, sich den Abend auf sehr kurzweilige Art und Weise um die Ohren zu schlagen. Es gab zwei "Dancefloors" - auf dem oberen wurde Mittwochs Indie und Alternative gespielt, im "Blue Fish" Keller lief passenderweise Gothic (juut, das war nun nicht ganz so meins ;-)), auf einer anderen Etage fanden Live-Konzerte statt (1989 spielten hier sogar Nirvana!), es gab ein kleines Kino mit fünf Sitzreihen und einer Leinwand, ungefähr so groß wie ein tragbarer Fernseher, aber wenigstens konnte man umsonst den ganzen Abend Filme gucken. Auf einem großen Bildschirm neben dem Tresen wurden legendäre Livekonzert-Aufzeichnungen aus den 70ern, 80ern oder 90ern abgespielt, und ganz oben war schließlich das Bistro mit jeder Menge Sitzmöglichkeiten, wo man entspannt rumfläzen, was trinken und auch eine Kleinigkeit essen konnte.

Wir wohnten im Schwimmbadclub an diesem einen Tag, dem Highlight der Woche - man freute sich Donnerstags schon auf den nächsten Mittwoch, feierte sich die Seele aus dem Leib, tanzte vom ersten bis zum letzten Song und unterbrach das Getanze höchstens mal für ein kurzes Gespräch auf dem Balkon oder einen Ausflug zur Theke, um Getränkenachschub zu organisieren - von Smartphones, Selfies und Social Media wusste noch kein Schwein irgendwas und überhaupt, Handys...naja, der ein oder andere hatte später mal so'n Ding....

Sperrstunde war um Punkt 3 Uhr, wenn die sanften Klänge des Rausschmeißersongs "What a Wonderful World" die Partystimmung jäh im Keim erstickten und am nächsten Tag scheifte man sich ziemlich müde zur Schule, zur Ausbildungsstelle und später zur Arbeit. Man feierte und tanzte zu Rage Against The Machine, Nine Inch Nails, System Of A Down, Refused, Deftones, Limp Bizkit, Korn, Machine Head und Chemical Brothers, und es war einem schnurzegal, dass der DJ die Lieder fast immer in der gleichen Reihenfolge abspielte.
Ich lachte, weinte, lebte und liebte den Schwimmbadclub. Hier lernte ich einige "Lieben meines Lebens" kennen, hier spielten sich Beziehungs- und Trennungsdramen ab, hier stand ich mit Schmetterlingen im Bauch am Tresen, während mir die nette männliche Begleitung mit Ziegenbart, abgeschnittenen Baggyjeans und Geldbeutelkette einen Korea (Anm. d. Red.: Cola mit Rotwein *schüttel*) nach dem nächsten ausgab, bis ich das Zeug nicht mehr sehen konnte. Hier saß ich knutschend im zigarettenverqualmten Treppenhaus, dort versteckte ich mich mit Tränen in den Augen hinterm DJ Pult vor der netten männlichen ziegenbärtigen Begleitung, die mir letzte Woche noch Getränke spendiert hatte und jetzt mit einem anderen Mädel knutschend zwischen all den tanzenden Menschen stand.

Im Schwimmbadclub lernte ich sehr viele Menschen kennen, die teilweise zu Freunden wurden und mich sehr lange durch mein Leben begleiteten. 
Hier fanden denkwürdige Livekonzerte statt, manchmal auch an anderen Wochentagen - es konnte also durchaus passieren, dass man freitags zu Stone The Crow oder zum Gig einer befreundeten Band fuhr, obwohl an diesem Tag im SC bekanntlich böses Techno und HipHop gespielt wurde. 
Der SC war mehr als ein Club - er war ein Stück Heimat für mich in der bis dahin schwierigsten und aufregendsten Phase meines Lebens. Stress mit den Eltern, Stress in der Schule, Zukunftsängste und berufliche Desorientierung nach dem Abitur - war alles zu überstehen, man hatte ja den Mittwochabend, an dem (wenigstens für ein paar Stunden) die Welt in Ordnung war.

Aber wie sagt man so schön: Beständig ist nur die Veränderung. 
Mitte der 2000er wurden andere Clubs für uns spannend... die Katakombe in Karlsruhe, das Genesis in Mannheim, das Loft in Ludwigshafen - man war bereit, längere Anreisewege zum Feierngehen auf sich zu nehmen. Der Schwimmbadclub wurde umgebaut, plötzlich gab es einen Außenbereich mit Cocktailbar und Freiluft-Dancefloor, das Publikum veränderte sich, die nächste Generation 17jähriger Neu-Clubgänger rückte nach. 
Der Schwimmbadclub wurde "mainstream", und wir waren plötzlich zu alt, zu cool dafür.
Und plötzlich wurde der Alternative Mittwoch abgeschafft. Einfach so. Das Veranstaltungskonzept wurde so abgeändert, dass es nur noch 1mal im Monat einen Alternative-Tag gab. 
In diesem Moment beerdigten wir unsere Schwimmbadclubzeit ganz offiziell. Das tat uns nicht sonderlich leid damals. Es war Zeit für etwas Neues, auch wenn wir später noch einige Male hinfuhren, uns ein Konzert anschauten, oder den neuen "monthly" Alternative-Tag testeten. 
Aber der Zauber des SC war unwiederbringlich verflogen.

Heute denke ich gerne, wenn auch manchmal etwas wehmütig, an die Zeit zurück. 
Der Schwimmbadclub wird Ende diesen Jahres geschlossen. Das mittlerweile 60 Jahre alte Gebäude ist sanierungsbedürftig, eine Neueröffnung nach dem Umbau nicht geplant - und so verschwindet unsere alte Mittwochs-Heimat nun endgültig von der Bildfläche. 

Mach's gut, Schwimmes. Und Danke für die geile Zeit.

Sonntag, 13. September 2015

Hauszeit!


Manchmal muss man einfach machen. Nicht aufschieben, sondern machen, die Gelegenheit beim Schopf ergreifen, wenn sich herausstellt, dass es DIE EINE Gelegenheit ist, auf die Du lange gewartet hast.
Hätte mir noch vor wenigen Jahren jemand erzählt, dass ich mit Mitte 30 zur Hausbesitzerin mutiere - ich hätte denjenigen wahrscheinlich entgeistert angeguckt und ein bisschen gelacht. Vielleicht auch ein bisschen lauter als beabsichtigt. Hausbesitzer sein, das ist doch der Beginn des Spießbürgertums schlechthin!
Och, denke ich mir heute. So'n büschn spießig kann ja eigentlich nicht schaden...

Ziemlich genau ein Jahr lang haben wir gesucht, mein Männe und ich, nachdem wir den Entschluss gefasst haben, in ein Eigenheim zu investieren. Nicht bauen, sondern eine Bestandsimmobilie erwerben, gerne renovierungs-, wenn auch nicht sanierungsbedürftig, mit ein bisschen Natur drum herum - ein Rückzugsort, der nur uns gehört. Ein Projekt, in das unser Herzblut einfließen kann. Ein Häuschen, das zu uns passt und das wir nach unseren Vorstellungen (um)gestalten können.

Nachdem mein Mann seine beruflichen Pläne neu ausgerichtet und die zunächst geplante Selbständigkeit wieder verworfen hat, um den Rahmen für unsere nötige Kreditwürdigkeit zu schaffen, begannen wir ernsthaft damit, den Immobilienmarkt in unserer Region zu sondieren.
Ein Jahr lang haben wir uns -zig Häuser angeschaut, etliche von innen besichtigt, gerechnet, verglichen, gehandelt, geplant, geträumt, verworfen, enttäuscht zurückgesteckt, ernüchtert abgebrochen.

Bis wir uns vor einigen Wochen dann dieses Haus anguckten. Ruhiger Ortsteil, leichte Hanglage am Feldrand, mit Garten, mitten im Grünen und trotzdem unweit von Zivilisation und Arbeitsplatz. Schon bei der ersten Besichtigung von außen waren wir sehr angetan. Und nach der ersten Innenbesichtigung war es dann um uns geschehen. Da konnte uns auch der stellenweise noch sehr präsente 70er und 80er Jahre Flair in einzelnen Räumen nichts anhaben. Was tun schon ein paar kleine Schönheitskorrekturen zur Sache, wenn Grundsubstanz, Lage, Preisverhältnis und Bauchgefühl hundertprozentig passen und man ein tiptop gepflegtes und im Prinzip sofort bewohnbares Objekt vor sich hat?! Und wer weiß schon, ob orange-braune Badezimmerfliesen in wenigen Jahren wieder im Trend sind...?

Heute, wenige Wochen, eine weitere Innenbesichtigung und zwei Banktermine später haben wir uns mit dem Verkäufer auf einen Preis geeinigt, unser Finanzierungsplan wurde durchgewunken, der Kaufvertragsentwurf ist abgenickt und - joah, man kann tatsächlich sagen: Jetzt wird's ernst! :-)

Ich kann es selbst noch nicht glauben, dass wir das tatsächlich machen. Wir. Kaufen. Ein. Haus.
Wahrscheinlich glaube ich es dann, wenn wir beim Notar sitzen und unsere Unterschriften unter den Kaufvertrag gesetzt haben.

Wir haben viele Abende, Nächte, Tage darüber gesprochen und wissen, dass wir uns ein Lebensprojekt an's Bein binden, das uns in den nächsten Jahren und Jahrzehnten viel Geld, Arbeit, Schweiß und bestimmt auch mal Tränen kosten wird, aber auch viel Freude, Erfolgserlebnisse und vor allem unbezahlbare Lebensqualität bringt.
Letztendlich ist es unsere Absicherung für die Zukunft. Die eigenen vier Wände, das Ende des Mietezahlens, unser ganz eigenes Reich.
Und wir freuen uns wie Bolle darauf!!!!

Wenn DIE EINE Gelegenheit kommt, sollte man nicht zögern und sie beim Schopf ergreifen.
Ob man das später bereut, kann heute keiner sagen.
Aber egal wie es kommt - ist es nicht schlimmer, sich den Rest seines Lebens über DIE verpasste Chance Deines Lebens zu ärgern? ;-)