Freitag, 27. April 2012

Archie und ich. Und der Muskelkater danach.

Es ist Freitag, und ich habe immer noch einen Muskelkater in den Beinen, der sich gewaschen hat. Der kommt natürlich nicht unerwartet. Ich wusste bereits, was mir blüht, bevor ich mich vor 3 Tagen das erste Mal seit 15 Jahren wieder auf einen Pferderücken geschwungen habe.
Am Dienstag abend um 17 Uhr parke ich meinen Volvo vorm Heppenheimer Reitstall, wo mich Elke - meine zukünftige Reitlehrerin - bereits erwartet. Wir begrüßen uns, dann führt sie mich erstmal auf dem Gelände rum, zeigt mir alles und fragt nebenbei nach dem Stand meiner aktuellen "Reitkünste" (doch nach so einer langen Zeit, und ohne vorher richtig Unterricht gehabt zu haben, fange ich quasi fast bei 0 an).
Mit ihrer unkomplizierten, lockeren Art ist mir Elke auf Anhieb sympathisch.
Nachdem wir uns alles angesehen haben, kommen wir in den Stall mit den Schulpferden, und Elke stellt mir den Kandidaten vor, der mich durch meine erste Reitstunde tragen darf: Einen großen, fuchsroten Hannoveraner-Wallach, der gleich einen Schritt auf mich zukommt und mich neugierig beschnuppert, als Elke seine Boxentür öffnet. Sein Name ist "Action", aber er wird von allen nur Archie genannt, was irgendwie auch viel besser zu ihm passt.
Nach unserer ersten Begrüßung darf ich Archie das Stallhalfter anlegen und auf den Hof führen, wo ich ihn erstmal putzen muss. Sein Fell ist voller getrockneter Matschflecken, die offensichtlich daher rühren, dass er sich auf der Weide im Dreck gewälzt hat, wie es Pferde oft und gerne tun. Nach der Fellreinigung ist das Hufe auskratzen dran. Nicht jedes Pferd gibt so bereitwillig "Pfötchen" wie Archie, und trotzdem dauert es ganz schön lange, bis man 4x eine mehr als kaffeeuntertassengroße Fläche von festgetretenen Erdklumpen, Stroh und Steinchen befreit hat - zumal man immer aufpassen muss, dass das Pferd seinen Fuß nicht dort absetzt, wo sich der eigene befindet.
Nachdem Archie von Kopf bis Huf wieder blinkt und glänzt, wird er gesattelt. Elke zeigt mir, wie man den Sattel vorschriftsmäßig auflegt - bei einem Pferd von 1,72 m Stockmaß muss man sich da ganz schön auf die Zehenspitzen stellen - die Gurte festzieht und den Ausbindezügel befestigt. Der Ausbindezügel dient dazu, dass das Pferd den Kopf nicht hochwirft, was das Reiten sowohl für den Pferderücken als auch für den Reiter, der draufsitzt, angenehmer macht.
Zu guter Letzt wird die Trense angelegt, und ich darf Archie am Zügel in die Reithalle führen.
In der Halle drehen wir noch 2-3 Runden zu Fuß, damit Archie warm wird und ich schonmal ein Gefühl für seine Bewegungsabläufe bekomme.
Dann wird endlich aufgesessen! Und es fühlt sich - ja, irgendwie immer noch vertraut an da oben...
Ich reite Archie im Schritt nochmals 2 Runden durch die Halle, bis Elke ihn an die Longe nimmt. Für den Anfang ist das sehr wichtig, damit ich mich erstmal auf meine Haltung und mein Gleichgewicht konzentrieren kann, während das Pferd einfach nur im Kreis läuft.
"Sieht doch schon ganz gut aus", ruft mir Elke zu, "Wollen wirs mal mit Traben probieren?" Und ob wir das wollen!
Ein kleiner Schnalzer an der Longe, ein leiser "Teeeerrrab!" Befehl von Elke, und Archie setzt sich in Bewegung. Die Herausforderung beim Trab besteht darin, im Rhythmus mit dem Pferd den Hintern aus dem Sattel zu heben und zu senken - tut man das im falschen Takt, wird es ganz schön holprig. "Spann die Bauchmuskeln an, dann fällst du nicht ins Hohlkreuz und es geht einfacher!" Ich probiere es aus und es klappt tatsächlich schon viel besser. Allerdings sind meine Hände noch zu unruhig. Sie hüpfen ebenso wie mein Hintern auf und ab - beim Reiten müssen die Hände jedoch fast ruhig gehalten werden und dürfen keinesfalls am Zügel reißen. Also übe ich das zunächst mal mit einer Hand und halte mich mit der anderen am Sattel fest. Dann das Ganze mit der anderen Hand.
Zwischendurch wechseln wir die Laufrichtung, damit Archie keinen Drehwurm bekommt. Und plötzlich, als wir die Seite wechseln und Elke den Befehl zum Traben gibt, galoppiert Archie unerwartet los. Hui! Ich verändere sofort meine Sitzhaltung und versuche mich, den Schaukelbewegungen des Galopp, die so ganz anders sind als das Hoch-und-Runter beim Traben, anzupassen. Zwar verliere ich dabei einen Steigbügel, doch nach wenigen Sekunden fällt Archie wieder zurück in den Trab und dann in den Schritt. "Hey, du hast Dich prima gehalten!" lobt Elke, und ich bin ein ganz klein bisschen stolz auf meine Leistung.
Schon bald ist meine erste Reitstunde vorbei. Wir halten an, ich steige mit etwas wackeligen Beinen ab und klopfe Archie lobend den Hals. Dann gehen wir noch eine Runde am Zügel durch die Halle zum Abkühlen.

Nach meiner Reitstunde bleibe ich noch eine ganze Weile in der Halle, schaue mir die folgenden Gruppenstunden an und unterhalte mich mit ein paar anderen Reitschülern. Durchs Zuschauen und Beobachten kann man auch eine ganze Menge lernen, erzählt mir eine der erwachsenen "Reitschülerinnen", die nach 20 Jahren Reitpause ebenfalls erst seit kurzem wieder reitet.

Ich bin auf die nächsten Reitstunden gespannt und vor allem darauf, was für Fortschritte ich noch machen werde. Mein Ehrgeiz ist nun ungebremst und ich möchte am liebsten sofort wieder aufs Pferd - trotz Muskelkater. Oder gerade deswegen? Wer weiß das schon... ;-)

Sonntag, 22. April 2012

Equitabo.

Pferde und ich. Wir kennen uns schon ziemlich lange. Pferde begleiten mich durch mein Leben, seit ich laufen kann. So wie Bücher und Musik. Oder so wie Hunde, wenn wir den Vergleich mit lebenden Dingen beibehalten möchten.
Ich fand Pferde schon immer toller als Barbiepuppen. Und das, obwohl ich mit - hm, sagen wir 2 Jahren - ein absolutes Pferdetrauma hätte erleiden müssen. An dieses Erlebnis kann ich mich selbst natürlich nicht mehr erinnern. Aber meine Eltern bestätigen, dass es sich so zugetragen hat.
Mama und Papa besuchen mit der kleinen Claudia den Tierpark. In diesem Tierpark gibts alle möglichen heimischen Wild- und Haustiere. Unter anderem Ponys, auf denen auch geritten werden darf. Ums Ponygatter ist immer ein riesen Getümmel. Die Kinder stehen in der Schlange, um anschließend für zwei Mark auf dem Ponyrücken drei Runden über den Platz geführt zu werden. Die kleine Claudia findet das wohl faszinierend, und als Mama und Papa mal kurz unaufmerksam sind, rennt sie zum Gatter, durch das gerade eines der Ponys seinen neugierigen dicken Ponyschädel gesteckt hat. Das Schild mit dem Vorsichtshinweis "Achtung, Ponys beißen!" kann sie mit ihren 2 Jahren natürlich noch nicht lesen.
Mama und Papa bemerken recht schnell das Verschwinden des Nachwuchses. Papa dreht sich zum einige Meter entfernten Ponygatter um und erstarrt zur Salzsäule. Die kleine Claudia schwebt ca. anderthalb Meter über dem Boden - getragen von einem Ponymaul! Der neugierige Heufresser hielt das Kleinkind wohl für ein Spielzeug, oder sogar eine Art zu groß geratenes Leckerli. Also, zugeschnappt und hochgehoben.
Papa entwickelt situationsbedingt ungeahnte Heldenkräfte. In nullkommanullnull Sekunden ist er beim Pony, ein Handkantenschlag auf die Ponyschnauze bewirkt, dass das Tier die seltsame Beute sofort loslässt, und Klein-Claudia ist wieder frei. Noch Wochen später sieht man auf Hüfthöhe den Abdruck eines Ponygebisses.

Dieses Erlebnis hat mir in keinster Weise geschadet. Ich fand Pferde und Ponys toll, so wie 95% aller kleinen Mädchen Pferde und Ponys toll finden. Sobald ich lesen konnte, verschlang ich Pferdebücher - erst Romane, irgendwann später aber auch Sachbücher (wodurch ich mir in kürzester Zeit ein fundiertes Know-How über Pferdeanatomie und Merkmale unterschiedlicher Rassen aneignete) und noch später auch Bücher übers Reiten lernen.
Mein flehender Wunsch nach Reitstunden und einem eigenen Pferd wurde nie erhört. Dann konnte ich - mit etwa 8 Jahren - die Vorzüge genießen, die es mit sich bringt, wenn man einen wesentlich älteren Bruder hat.
Der wesentlich ältere Bruder hatte nämlich eine neue Freundin, die aus recht wohlhabendem Hause stammte. Die Familie besaß drei eigene Pferde, die in einem Reitstall in Heidelberg untergebracht waren. Für mich ging ein Traum in Erfüllung, als meine Schwägerin in Spe mir eine Schnupper-Reitstunde anbot.
Es war das erste "richtige" Pferd, auf dem ich saß, ein riesengroßer weißer Trakehnerhengst. Das war schon was anderes als Ponyreiten! Erstmal ohne Sattel - dafür an einer Longierleine und Gurt mit Handgriffen zum Festhalten - gings in die Reithalle; Schritt war okay, beim Trab hopste ich schon wild auf dem Pferderücken rum, im Galopp hielt ich mich lange tapfer, bis ich den Halt verlor und schließlich nach einem doppelten Looping im weichen Sägespänebelag der Halle landete. Aber, wie heißt es so schön, wenn man vom Pferd fällt, muss man gleich wieder rauf. was ich auch tat.

Leider hatte ich keine Möglichkeit, eine Kontinuität in diese Reitstunden zu bringen. Und nachdem dann nach einigen Jahren auch die Beziehung zwischen meinem Bruder und seiner Freundin scheiterte, stand ich wieder ohne Pferd da.
Aber zum Glück gabs ja noch unsere Österreichurlaube im Zillertal. Neben unserer Urlaubsresidenz lag nämlich ein Reiterhof, und jedes Jahr, wenn wir dort waren, durfte ich auf auf einem der unzähligen Haflinger ausreiten. Auf Haflingern zu reiten ist eine extrem idiotensichere Methode, sicher im Sattel zu bleiben. Beim ersten Mal wurde ich noch geführt, beim zweiten Mal konnte ich es alleine. Leider waren die Haflinger in diesem Stall extrem faule und antriebslose Geschöpfe, wahrscheinlich durch das tägliche Rumtragen kleiner und großer reitunfähiger Touristen völlig abgestumpft - ich hatte also nie die Möglichkeit, zu galoppieren. Aber in den anderen Gangarten hatte ich schon bald den Dreh raus.

Irgendwann, mit der fortschreitenden Pubertät, ließ mein Ehrgeiz, endlich richtig reiten zu lernen, etwas nach.
Trotzdem trieb ich mich, wann immer ich die Möglichkeit hatte, auf Reiterhöfen rum, half hier mal beim Putzen und Füttern, durfte dann und wann die Pferde auf die Koppel führen und so weiter.
Bis ich mir dachte "So, ich bleib drauf sitzen, wenn es losläuft, dass ist doch eigentlich genug - jetzt brauch ichs doch auch nicht mehr richtig lernen."
Und dann schlief das Ganze ein. Auch eine Art Prokrastination, um mal beim Thema des Blogs zu bleiben, ne? Es steht ja keiner mit einem gesattelten Pferd vor Deiner Haustür, klingelt und sagt zu Dir "Hey, willste nicht reiten lernen? Ich hab da schonmal wat vorbereitet...!" Man müsste schon selbst die Initiative ergreifen, wenn man es durchziehen will. Und das hab ich nicht getan.

Aber immer wenn ich irgendwo ein Pferd gesehen habe, und auch heute noch sehe, strahle ich immer noch übers ganze Gesicht.
Das sagt jeder, der mich dabei beobachtet. Und dies ist - wenn man mein Alter bedenkt - definitiv kein pubertäres Pferdegeschwärme mehr.
Der Wunsch nach regelmäßigem Pferdekontakt war nie ganz weg. Auch wenn es die wenigsten Menschen, mit denen ich in den letzten 10-15 Jahren regelmäßig Kontakt habe, so richtig mitbekommen haben.

Wer es allerdings mitbekommen hat, war meine bessere Hälfte.
Und Dank ihm wage ich jetzt den erneuten, großen Schritt.
Mein Geburtstagsgeschenk von Mirko war nämlich ein Gutschein, für ein "Pferd zum Selbstreiten"!
Da ich finanziell nicht unverschämt sein möchte, werde ich mir natürlich nicht gleich ein eigenes Pferd von ihm schenken lassen... ;-)
Aber das war der Anstoß, den ich gebraucht habe. Ich will Reitstunden nehmen, und endlich richtig reiten lernen. Und der Termin steht auch schon: Am Dienstag gehts los, ich bin gespannt und aufgeregt und werde an dieser Stelle berichten, wie es gelaufen ist. Drückt mir die Daumen!

P.S.:  "Equitabo" ist die lateinische Übersetzung von "Ich werde reiten".

Montag, 16. April 2012

Holy crap - I'm old!

Es ist Montag, und ich stehe total neben mir. Bin ausgelaugt und erschöpft. Die Luft is raus. Man könnte auch sagen, das Lämpchen vom Akku blinkt. Nur blöd, dass wir erst Wochenanfang haben und die nächste längere Erholungsphase noch in unerreichbarer Ferne liegt.
Aber eigenlich bin ich ja auch selbst schuld. Was muss ich auch Sonntags Geburtstag haben und Samstags reinfeiern, nachdem Freitags bereits der Geburtstag von meiner Mutti war?
Geburtstag haben ist schon toll. Allerdings macht es auch ne ganze Menge Arbeit und man hat eigentlich selbst am Allerwenigsten was von der Feierei. Immer schön gucken, dass genug zu Trinken aufm Tisch steht, dass die Gäste alle zufrieden sind, dass Musik läuft - nicht zu leise, damit die Stimmung oben bleibt, aber auch nicht zu laut, damit die Nachbarn nicht wegen Ruhestörung das Ordnungsamt anrufen.
Nunja, ich habs erfolgreich hinter mich gebracht. Samstag feinfeiern mit Freunden und Bekannten, das Wetter ist gnädig und der gefürchtete Regen bleibt aus, so dass die Party in unserem Hof stattfinden kann. Da ich offensichtlich keine größeren Mengen an Alkohol mehr vertrage, bin ich um 22 Uhr schon ziemlich knülle. Bekomme aber trotzdem noch mit, wie mir plötzlich alle Leute gratulieren und mit einer Auswahl hübscher Präsente aufwarten - kombiniere: es muss 12 Uhr sein.
Ich hab schon lustige Freunde: Da bekomm ich unter anderem einen selbstgebackenen Kuchen mit einem Pony drauf, eine Hotpants mit Regenbogenstreifen, eine Autogrammkarte von Harry Wijnvoord (MIT Widmung!!), ein Erste-Hilfe-Caipirinhaset, eine überdimensionale Diarrhoe-Plüschmikrobe und allerlei andere Kuriositäten :-)
Danach wird lockerflockig weitergefeiert, bis sich um 3 Uhr morgens die letzten Gäste verabschieden.

Wohlweislich habe ich die Family am darauffolgenden Sonntag erst ab 14:30 Uhr zum Kaffee eingeladen. Ausschlafen wäre da wunderbar und prinzipiell machbar gewesen - doch frühmorgens um kurz nach 9 sucht mich ein hinterhältiger Wadenkrampf heim. Stechendmesserschafte Schmerzen durchfahren die untere Hälfte meines rechten Beines. Dieses schnellt unter der Bettdecke hervor nach oben und ich versuche meinen Fuß mit den Händen runterzuziehen, damit sich der Muskel lockert. 10 Sekunden messerstechendschafte Schmerzen. Danach ist an weiterschnarchen nicht mehr zu denken.
Also aufstehen, die Überreste von gestern aufräumen, Tisch decken für den Kaffeebesuch und - huch, schon klingelts wieder an der Tür.
Die hungrige Meute, auch Verwandschaft genannt, stürmt die Bude, ich fahre Kaffee und Kuchen auf und auch sonst alles, was der Kühlschrank so hergibt. Später noch frisch aufgebackene Brezeln mit Käsewurstgedöns. Hm, ein paar Brezeln mehr hätten es am Ende schon sein können. Aber das Volumen unseres Gefrierfachs hätte eine weitere Packung nicht aufgenommen. Also improvisiere ich mit Knabberzeug und - puh, ich krieg sie alle satt.
Als die letzte Omma die Wohnung verlässt, sinke ich auf der Couch in mich zusammen.

31...tja, da mag so mancher amüsiert vor sich hinkichern, wenn ich behaupte, dass mir das Feiern vor 10 Jahren auch noch leichter von der Hand ging.
Aber in 10 Jahren werde ich wahrscheinlich wehmütig an meinen 31ten zurückdenken und mir vorstellen, wie jung, frisch und energiegeladen ich damals doch war...
 


Dienstag, 10. April 2012

Paris. Oder: Warum die Metro völlig überschätzt wird und man auf Französisch einfach nicht fluchen kann.

Ich habe eine neue Lieblingsstadt. Wer hätte es gedacht? Drei Tage haben ausgereicht, um mich zum absoluten Parisfan werden zu lassen. Und das an einem Osterwochenende mit recht durchwachsenem Wetter (zum Glück (fast) ohne Regen) und einer immensen Touristenflut im Schlepptau. Das möchte was heißen!
Freitagmorgen, Mannheim Hauptbahnhof, 6:40 Uhr: Mirko und ich steigen - noch im Halbschlaf - zusammen mit etlichen anderen Fahrgästen in den ICE über Kaiserslautern, Saarbrücken, Forbach nach Paris, Endstation Gare de l'Est. Im Abteil ist es gerammelt voll, aber angenehm ruhig, und die Reise dauert nicht mal 4 Stunden. Ich bin froh über meine Entscheidung, das Auto zuhause stehen gelassen zu haben. Normalerweise hasse ich Zugfahren, bzw öffentliche Verkehrsmittel im Allgemeinen. Aber eine Fahrt nach Paris ist mit dem Zug wesentlich zeit- und - wie ich vor Ort feststelle - nervenschonender.
Pünktlich erreichen wir unseren Zielbahnhof. Auf dem Bahnsteig bläst uns ein eiseskalter Wind entgegen, es ist noch nicht mal 10 Uhr und der Bahnhofsbetrieb kommt offenbar gerade erst richtig in Gang.
Vorm Bahnhof orientieren wir uns zunächst einmal mit Hilfe des Stadtplanes, wo wir uns gerade befinden und stellen fest, dass unser Hotel nur eine Metrostation vom Gare de l'Est entfernt liegt. Da lohnt es sich kaum, in die Metro zu steigen. Und da wir uns nach der Zugfahrt sowieso ein wenig die Beine vertreten möchten, marschieren wir los Richtung Rue Taylor.
Unser Hotel liegt - laut Internet-Kundenbewertung - sehr zentral, aber in einer unheimlich ruhigen Gegend. Und in der Tat: Kaum biegen wir von der stark befahrenen Hauptstraße in eine Seitengasse, ist schon nach wenigen Metern nichts mehr vom Großstadtlärm zu hören.
Und am Ende der Gasse mit den typisch französischen Häuserschluchten liegt das Hotel l'Annexe - so unauffällig, dass man es fast übersieht. Als wir an der Rezeption einchecken wollen, verrät uns die Dame, dass das Hotelzimmer erst ab 14 Uhr bezugsfertig ist, wir unser Gepäck aber bereits in der vorgesehenen "Bagagerie" verstauen können.
Gesagt, getan. Nun heißt es noch 4 Stunden Zeit totschlagen. Wir beschließen nochmal zum Bahnhof zu laufen und uns auf die Suche nach etwas Essbarem zu machen. Überraschenderweise finden wir am Bahnhof kein einziges Fast Food Lokal. Nur Boulangeries, Zeitschriften, Bücher, Souvenierbuden, Klamottengeschäfte und...Klamottengeschäfte. Tja, der Burger zum Vormittag fällt leider flach. Belegte Brötchen brauchen wir nicht zu kaufen, die haben wir noch im Rucksack als Reiseproviant. Also gibts erstmal diese.
Draußen versucht die Sonne inzwischen, sich durch die graue Wolkendecke zu kämpfen. Wir setzen uns ein wenig auf den Bahnhofsvorplatz, studieren die Pariser Straßenkarte und überlegen schon mal, wann wir was anschauen könnten. Dann wird es uns im Sitzen etwas zu frisch und wir streunen - noch ein wenig ziellos - in der Bahnhofsgegend umher. Langsam wird es wirklich kalt, wir sind müde und uns überkommt die Lust nach einem Heißgetränk. Im Café de l'Est bestellen wir uns überteuerten Cappucchino und Tee, der uns aber wenigstens ein bisschen aufwärmt.
Irgendwann ist es dann 14 Uhr und wir können endlich in unser Zimmer, welches ganz oben im 5. Stock liegt. Beim ersten Mal nehmen wir noch die Treppe, was sich als fataler Fehler herausstellt. Oben angekommen platzt mir fast die Lunge. Den Rest unseres Aufenthalts benutzen wir nur noch den winzigen 2-Personen-Fahrstuhl, der seine geringe Größe offenbar durch sein enormes Geschepper und Gequietsche kompensieren möchte.
Unser Zimmer ist klein, aber hübsch und für französische Verhältnisse erstaunlich sauber - sogar das offenbar vor kurzem frisch renovierte Badezimmer. Eine Tür führt hinaus auf einen winzigen, von einem schmiedeeisernen Geländer eingefassten Mauervorsprung. Für einen Balkon ist es zu klein, aber man kann darauf stehen und hat einen tollen Ausblick auf die Straße und die umliegenden Häuser. Mir gefällt es hier sofort.

 
Was wir in den kommenden drei Tagen von Paris sehen, ist enorm.  
Eiffelturm, Notre Dame, Louvre, Place de la Concorde, Arc de Triomphe, Champs Elysees, Sacre Coeur, Montmartre, Moulin Rouge - wir nehmen alles mit. Und wir benutzen nicht EINMAL die Metro. Wir gehen überall zu Fuß hin. ÜBERALL!!! Ich bedaure, dass ich keinen Schrittzähler dabei habe. Wenn ich mir heute auf dem Stadtplan anschaue, wo wir überall hingelatscht sind, kommen wir sicher auf 35-40 Kilometer. Ungelogen. Und das Tolle am zu Fuß gehen (abgesehen von der Tatsache, dass man sich die draufgefressenen Leckereien ganz schnell wieder abarbeitet): Man nimmt auch während des Laufens von einer zur nächsten Sehenswürdigkeit die vielen Facetten dieser wahnsinnig abwechslungsreichen Stadt wahr. Im bunten, lauten Treiben auf dem Champs Elysees kommen wir uns vor wie in New York. Abgesehen von den fehlenden Wolkenkratzern. Aber die Gegensätze zwischen arm und reich sind hier mindestens genauso krass. An einer Ecke parkt ein Ferrari neben einem Maserati  - und ein paar Meter weiter liegen Matratzen, Schlafsäcke, Kartons mit Pennern drauf/drin. Teilweise sogar mitten auf dem Gehweg.
Auf dem Cimetiere Du Père Lachaise ist es so still, dass man glauben könnte, man wäre alleine auf der Welt. Gehst du durch Montmartre , hast du das Gefühl, die Zeit sei stehen geblieben - während 100 Meter weiter die neonschriftzugerleuchtete Vergnügungsmeile vom Pigalle bis hin zu Moulin Rouge dröhnt, leuchtet und blinkt.

Wir flanieren kilometerlang neben der Seine her, begeistert von den vielen Hausbooten, die hier vor Anker liegen und mit ihren begrünten Decks und gläsernen Wintergärten aussehen wie schwimmende Paläste.
Und auch wenn mir nach dem zweiten Tag die Beine so weh tun, dass ich sie kaum noch rühren kann - wir laufen weiter. Und ich bin richtig stolz auf uns.

Meine Sprachkenntnisse haben die letzten Jahre sehr gelitten. Nachdem ich Französisch am Ende der 11. Klasse abgewählt habe, konnte ich es kaum noch anwenden und habe inzwischen sehr viel vergessen. Je länger ich mich in Paris aufhalte, desdo mehr verstehe ich jedoch wieder. Ich kann sinnentnehmend lesen, was auf Plakaten oder Schildern steht. Und ich bestelle sogar unser Essen auf Französisch. Eigentlich ist die Sprache wirklich schön. Auch wenn meine bessere Hälfte da anderer Ansicht ist. Die Sprache ist ihm wohl einfach nicht männlich und ausdrucksstark genug.
"Wenn Du jemanden auf Französisch anfluchst," sagt er "klingt das immer so, als ob Du ihm nen guten Tag wünschst."

Die Zeit vergeht wie im Fluge, und doch habe ich das Gefühl, zwei Wochen weg gewesen zu sein.
Durch die Menschenmassen vor sämtlichen Sehenswürdigkeiten haben wir uns alles nur von außen angeschaut, um stundenlanges in-der-Schlange-stehen zu vermeiden. Aber wir kommen wieder. Und dann schaun wir uns den Rest an!


Sonntag, 1. April 2012

Eine Prise Optimismus, eine Prise Realismus und die kleinen Dinge des Lebens.

Es gibt viele Menschen, die sich ständig über alle möglichen Dinge beschweren, und seien sie noch so unbedeutend. Menschen, denen das sprichwörtliche Haar in der Suppe den ganzen Tag versauen kann und die von Grund auf eine absolut negative Einstellung haben, begegnen Dir überall - und das Schlimme ist, wenn man nicht aufpasst, kann diese Einstellung sehr ansteckend sein.
Genau so schlimm und anstrengend ist es allerdings auch, wenn jemand permanent gute Laune hat. Besser gesagt, gute Laune vorspielt. Denn keiner ist 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche super drauf.
Ich habe schon mehrere Artikel darüber gelesen, dass dieses erzwungene Dauerlächeln, wie man es beispielsweise von Stewardessen oder bestimmten VerkäuferInnen kennt, erwiesenermaßen völlig krank macht.
Und nicht nur das - ich finde, so etwas kommt völlig unauthentisch rüber. Menschen, die lächeln, und es nicht so meinen, wirken oberflächlich und unsympathisch. Und Menschen, die über alles meckern und motzen, stehen irgendwann völlig alleine da, weil sich keiner mehr mit ihnen abgeben will.

Also ist es doch eigentlich einleuchtend: Wenn Du schlecht gelaunt bist, lass Deine Wut raus. Schrei in ein Kissen, zerreiße ein Telefonbuch, jogge einmal um den Block, dreh die Musik bis zum Anschlag auf...oder mach sonst irgendwas.
Aber vergiss nicht, mindestens einmal am Tag zu lachen. Und zwar aus vollem Herzen. Freu Dich über kleine Dinge (das klingt jetzt völlig abgedroschen, aber hilft immer wieder..).
Der erste Schluck aus der Colaflasche, die gefrorene Sahne im Eiskaffee, die handgeschriebene Notiz von einem lieben Menschen, der Geruch von Regen auf heißem Asphalt, die Käsefüllung im Pizzarand.
Und wenn es Dir schlecht geht, sind es diese kleinen Dinge, die Dich wieder hochziehen und Dir bewusst machen, dass das Leben doch gar nicht sooooo beschissen ist.