Dienstag, 10. April 2012

Paris. Oder: Warum die Metro völlig überschätzt wird und man auf Französisch einfach nicht fluchen kann.

Ich habe eine neue Lieblingsstadt. Wer hätte es gedacht? Drei Tage haben ausgereicht, um mich zum absoluten Parisfan werden zu lassen. Und das an einem Osterwochenende mit recht durchwachsenem Wetter (zum Glück (fast) ohne Regen) und einer immensen Touristenflut im Schlepptau. Das möchte was heißen!
Freitagmorgen, Mannheim Hauptbahnhof, 6:40 Uhr: Mirko und ich steigen - noch im Halbschlaf - zusammen mit etlichen anderen Fahrgästen in den ICE über Kaiserslautern, Saarbrücken, Forbach nach Paris, Endstation Gare de l'Est. Im Abteil ist es gerammelt voll, aber angenehm ruhig, und die Reise dauert nicht mal 4 Stunden. Ich bin froh über meine Entscheidung, das Auto zuhause stehen gelassen zu haben. Normalerweise hasse ich Zugfahren, bzw öffentliche Verkehrsmittel im Allgemeinen. Aber eine Fahrt nach Paris ist mit dem Zug wesentlich zeit- und - wie ich vor Ort feststelle - nervenschonender.
Pünktlich erreichen wir unseren Zielbahnhof. Auf dem Bahnsteig bläst uns ein eiseskalter Wind entgegen, es ist noch nicht mal 10 Uhr und der Bahnhofsbetrieb kommt offenbar gerade erst richtig in Gang.
Vorm Bahnhof orientieren wir uns zunächst einmal mit Hilfe des Stadtplanes, wo wir uns gerade befinden und stellen fest, dass unser Hotel nur eine Metrostation vom Gare de l'Est entfernt liegt. Da lohnt es sich kaum, in die Metro zu steigen. Und da wir uns nach der Zugfahrt sowieso ein wenig die Beine vertreten möchten, marschieren wir los Richtung Rue Taylor.
Unser Hotel liegt - laut Internet-Kundenbewertung - sehr zentral, aber in einer unheimlich ruhigen Gegend. Und in der Tat: Kaum biegen wir von der stark befahrenen Hauptstraße in eine Seitengasse, ist schon nach wenigen Metern nichts mehr vom Großstadtlärm zu hören.
Und am Ende der Gasse mit den typisch französischen Häuserschluchten liegt das Hotel l'Annexe - so unauffällig, dass man es fast übersieht. Als wir an der Rezeption einchecken wollen, verrät uns die Dame, dass das Hotelzimmer erst ab 14 Uhr bezugsfertig ist, wir unser Gepäck aber bereits in der vorgesehenen "Bagagerie" verstauen können.
Gesagt, getan. Nun heißt es noch 4 Stunden Zeit totschlagen. Wir beschließen nochmal zum Bahnhof zu laufen und uns auf die Suche nach etwas Essbarem zu machen. Überraschenderweise finden wir am Bahnhof kein einziges Fast Food Lokal. Nur Boulangeries, Zeitschriften, Bücher, Souvenierbuden, Klamottengeschäfte und...Klamottengeschäfte. Tja, der Burger zum Vormittag fällt leider flach. Belegte Brötchen brauchen wir nicht zu kaufen, die haben wir noch im Rucksack als Reiseproviant. Also gibts erstmal diese.
Draußen versucht die Sonne inzwischen, sich durch die graue Wolkendecke zu kämpfen. Wir setzen uns ein wenig auf den Bahnhofsvorplatz, studieren die Pariser Straßenkarte und überlegen schon mal, wann wir was anschauen könnten. Dann wird es uns im Sitzen etwas zu frisch und wir streunen - noch ein wenig ziellos - in der Bahnhofsgegend umher. Langsam wird es wirklich kalt, wir sind müde und uns überkommt die Lust nach einem Heißgetränk. Im Café de l'Est bestellen wir uns überteuerten Cappucchino und Tee, der uns aber wenigstens ein bisschen aufwärmt.
Irgendwann ist es dann 14 Uhr und wir können endlich in unser Zimmer, welches ganz oben im 5. Stock liegt. Beim ersten Mal nehmen wir noch die Treppe, was sich als fataler Fehler herausstellt. Oben angekommen platzt mir fast die Lunge. Den Rest unseres Aufenthalts benutzen wir nur noch den winzigen 2-Personen-Fahrstuhl, der seine geringe Größe offenbar durch sein enormes Geschepper und Gequietsche kompensieren möchte.
Unser Zimmer ist klein, aber hübsch und für französische Verhältnisse erstaunlich sauber - sogar das offenbar vor kurzem frisch renovierte Badezimmer. Eine Tür führt hinaus auf einen winzigen, von einem schmiedeeisernen Geländer eingefassten Mauervorsprung. Für einen Balkon ist es zu klein, aber man kann darauf stehen und hat einen tollen Ausblick auf die Straße und die umliegenden Häuser. Mir gefällt es hier sofort.

 
Was wir in den kommenden drei Tagen von Paris sehen, ist enorm.  
Eiffelturm, Notre Dame, Louvre, Place de la Concorde, Arc de Triomphe, Champs Elysees, Sacre Coeur, Montmartre, Moulin Rouge - wir nehmen alles mit. Und wir benutzen nicht EINMAL die Metro. Wir gehen überall zu Fuß hin. ÜBERALL!!! Ich bedaure, dass ich keinen Schrittzähler dabei habe. Wenn ich mir heute auf dem Stadtplan anschaue, wo wir überall hingelatscht sind, kommen wir sicher auf 35-40 Kilometer. Ungelogen. Und das Tolle am zu Fuß gehen (abgesehen von der Tatsache, dass man sich die draufgefressenen Leckereien ganz schnell wieder abarbeitet): Man nimmt auch während des Laufens von einer zur nächsten Sehenswürdigkeit die vielen Facetten dieser wahnsinnig abwechslungsreichen Stadt wahr. Im bunten, lauten Treiben auf dem Champs Elysees kommen wir uns vor wie in New York. Abgesehen von den fehlenden Wolkenkratzern. Aber die Gegensätze zwischen arm und reich sind hier mindestens genauso krass. An einer Ecke parkt ein Ferrari neben einem Maserati  - und ein paar Meter weiter liegen Matratzen, Schlafsäcke, Kartons mit Pennern drauf/drin. Teilweise sogar mitten auf dem Gehweg.
Auf dem Cimetiere Du Père Lachaise ist es so still, dass man glauben könnte, man wäre alleine auf der Welt. Gehst du durch Montmartre , hast du das Gefühl, die Zeit sei stehen geblieben - während 100 Meter weiter die neonschriftzugerleuchtete Vergnügungsmeile vom Pigalle bis hin zu Moulin Rouge dröhnt, leuchtet und blinkt.

Wir flanieren kilometerlang neben der Seine her, begeistert von den vielen Hausbooten, die hier vor Anker liegen und mit ihren begrünten Decks und gläsernen Wintergärten aussehen wie schwimmende Paläste.
Und auch wenn mir nach dem zweiten Tag die Beine so weh tun, dass ich sie kaum noch rühren kann - wir laufen weiter. Und ich bin richtig stolz auf uns.

Meine Sprachkenntnisse haben die letzten Jahre sehr gelitten. Nachdem ich Französisch am Ende der 11. Klasse abgewählt habe, konnte ich es kaum noch anwenden und habe inzwischen sehr viel vergessen. Je länger ich mich in Paris aufhalte, desdo mehr verstehe ich jedoch wieder. Ich kann sinnentnehmend lesen, was auf Plakaten oder Schildern steht. Und ich bestelle sogar unser Essen auf Französisch. Eigentlich ist die Sprache wirklich schön. Auch wenn meine bessere Hälfte da anderer Ansicht ist. Die Sprache ist ihm wohl einfach nicht männlich und ausdrucksstark genug.
"Wenn Du jemanden auf Französisch anfluchst," sagt er "klingt das immer so, als ob Du ihm nen guten Tag wünschst."

Die Zeit vergeht wie im Fluge, und doch habe ich das Gefühl, zwei Wochen weg gewesen zu sein.
Durch die Menschenmassen vor sämtlichen Sehenswürdigkeiten haben wir uns alles nur von außen angeschaut, um stundenlanges in-der-Schlange-stehen zu vermeiden. Aber wir kommen wieder. Und dann schaun wir uns den Rest an!


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