Donnerstag, 3. Oktober 2013

Oh, wie schön ist Kanada: Living The Dream. Teil 1

"How's it going? Are you livin' the dream?"
Er könnte kaum mehr das Klischee des kanadischen Truckers erfüllen, dieser Mann, der uns auf dem Rastplatz zwischen L'Assomption und Lavaltrie anspricht, während wir die Vorbereitungen für unsere erste Übernachtung "on the road" treffen. Blaue Latzhose, Brille, klotzige Arbeiterstiefel, sonnengegerbtes Gesicht. Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, als er uns mit quäkendem Akzent vollquasselt und in seine Urlaubspläne für den nächsten Biker-Urlaub in Texas einweiht.
Offensichtlich hat das "CanaDream" Motorhome seine Aufmerksamkeit erregt. Leicht zu übersehen ist unser fahrbarer Untersatz in der Tat nicht, selbst zwischen all den riesigen LKWs, die um uns herum parken.


Es ist ein Ford SVC mit doppelter Slide-Out Funktion, welche sowohl im Schlaf- als auch Essbereich nochmal ein paar Quadratzentimeter zusätzlichen Wohnraum schafft. Insgesamt ist das Monstrum achteinhalb Meter lang und über drei Meter hoch. In den Benzintank passen satte 200 Liter (ein Glück sind die Kraftstoffpreise in Kanada ein klein wenig günstiger als bei uns - trotzdem treibt mir die Spritrechnung jedes Mal Tränen in die Augen. Aber nur ganz kurz. Wir sind ja schließlich im Urlaub, da können uns Geldsorgen mal für ein paar Tage gestohlen bleiben! ;-)).
Unter der Haube schnurrt ein V10 Motor, mit dem unser rollendes Zuhause auch die etwas anspruchsvollen Steigungen mühelos überwindet.

Allerdings sind die ersten Kilometer unserer Reise eine echte Herausforderung. Mirko übernimmt zunächst das Steuer - und wird es auch die kommenden zwei Wochen in den Händen halten, da ich mir beim besten Willen nicht zutraue, das Ungetüm auf 6 Rädern (hinten mit Doppelbereifung) unbeschadet durch die Botanik zu steuern. Aber selbst für mein Männe, der ja wirklich alles fährt, was mindestens zwei Räder und einen Motor hat, ist die Umstellung enorm.
Zu der Überdimensionalität unseres Motorhomes kommt nämlich noch das Automatikgetriebe. Klar, sowas ist Standard in den USA und Kanada. Aber eben nicht für uns.

Aus diesem Grunde lassen wir es am ersten Tag etwas ruhiger angehen und machen bereits nach 100 Kilometern am besagten Rastplatz den ersten Zwischenstopp. Für die nächste Zeit haben wir uns allerdings viel vorgenommen.
Wir möchten am St. Lorenz-Strom von Montréal aus entlang bis hin zur Spitze der Halbinsel Gaspésie fahren, die Strecke besteht teils aus Highway, teils aus Landstraßen und führt an etlichen Nationalparks sowie der Stadt Québec vorbei. Es gibt also genügend Möglichkeiten, sich in den Fahrpausen die Zeit sinnvoll zu vertreiben.

Nach der ersten Nacht in unserem höchst komfortablen Motorhome-Bett und einem schnellen Frühstück bestehend aus einem Tim Hortons Kaffee und ein paar Donuts geht es weiter auf dem Highway 40 Richtung Osten. Übrigens, Tim Hortons ist in Kanada eine wahre Institution - eine Restaurantkette, die sündhaft guten Kaffee sowie andere koffeinhaltige Getränke und diverse Backwaren anbietet. Wer dieses Land besucht, ohne mindestens einmal Tim Hortons Kaffee konsumiert zu haben, möge sich in eine Ecke stellen und sich schämen.
Die kanadischen Highways sind recht großzügig angelegt. Jede Fahrtrichtung hat zwei Spuren; statt von einer Mittelleitplanke werden diese von einem grasbewachsenen Straßengraben getrennt, der nochmals die Breite einer doppelten Autobahnspur hat. Ab und zu wird aus dem Straßengraben auch mal ein Wald. Das Tempolimit liegt bei 100 km/h, was nicht besonders viel ist, aber Motorhome sei Dank würden und könnten wir sowieso nicht viel schneller fahren.
In regelmäßigen Abständen werden wir von am Straßenrand stehenden Warnschildern auf Wildwechsel hingewiesen, oder auf die Gefahr hin, mit einem Elch zu kollidieren.
Die Qualität des Straßenbelags lässt leider - sowohl auf dem Highway als auch auf Landstraßen und im Stadtverkehr - manchmal sehr zu wünschen übrig, und eher findet man notdürftig geflickte Risse im Asphalt als eine komplett erneuerte Fahrbahndecke. Auch ein Grund, warum wir das Tempolimit nicht unbedingt als Einschränkung empfinden.
Nach ein paar Stunden Fahrt verlassen wir den Highway irgendwo bei Trois-Rivières und suchen uns an der Landstraße, die sich den St.Lorenz-Strom entlangschlängelt, ein Pausenplätzchen, wo wir uns über unserem Gasherd ein leckeres Mittagessen zusammenköcheln. Der Parkplatz mit öffentlichem WC ist sehr gepflegt, wie nahezu alle Parkplätze in dieser Region. Es liegen weder Müll noch Zigarettenkippen rum. Wir nutzen das schöne Wetter für eine etwas längere Pause und probieren schon mal das neue Teleobjektiv unserer Kamera aus.




Danach gehts weiter zu unserer ersten Campingstation vor den Toren von Québec City, gelegen am Lac St. Augustin: Camping Juneau-Chalets. Durch die Nähe zu Québec sind die Übernachtungspreise hier zwar etwas höher, aber die Anlage ist sauber und modern (wirkt stellenweise fast wie ein europäischer Campingplatz) und wir können Dank Elektrizität, Wasseranschluss und "Dumping Station" endlich mal das volle Potential unseres Motorhomes nutzen.
Aufgrund der Zeitumstellungs-Nachwehen, oder vielleicht auch einfach, weil wir uns dem Tag-Nacht-Rhythmus anpassen, fallen wir bereits die zweite Nacht in Folge vor 22 Uhr todmüde ins Bett.
Als wir am nächsten Morgen aufwachen, sehe ich meinen Atem in Wölkchenform über der Bettdecke aufsteigen. Es hat über Nacht extrem abgekühlt, und wir müssen erstmal das Motorhome aufheizen, um überhaupt aus dem Bett und in unsere Klamotten steigen zu können, ohne Frostbeulen zu bekommen. Das Fahrzeug ist zwar mit einer Heizung ausgestattet; die schnellere und günstigere Variante besteht allerdings darin, den Motor anzustellen und das Gebläse ein paar Minuten volle Pulle im roten Bereich laufen zu lassen.
Schon ist die Frostbeulengefahr behoben, und wir können unser Frühstück ohne Zähneklappern genießen.

Es verspricht ein wunderschöner, sonniger Tag zu werden - also auf nach Québec City, auch bekannt als die wohl französischste Großstadt Kanadas. In den Straßen flattert die blau-weiß-rote Tricolore neben dem rot-weiß-roten Ahornblatt, die kleinen verwinkelten Gassen der Altstadt erinnern mich stark an unseren letztjährigen Besuch in Paris ...und es wird natürlich überall NUR französisch gesprochen. Wer englisch spricht, outet sich zwangsweise sofort als Tourist.
Wir erlauben uns einen mittäglichen Abstecher bei McDonalds (unser erster und letzter Fast-Food-Konsum während des gesamten Kanada-Aufenthalts) und spazieren anschließend zum Château Frontenac, der bekanntesten sehenswürdigkeit Québecs, wo es von kulturwütigen Besuchern nur so wimmelt, von wo aus man jedoch eine wunderschöne Aussicht auf den St. Lorenz-Strom hat.



Nachdem wir uns an hoffnungslos überfüllten und überteuerten Straßencafés vorbeigequetscht haben, landen wir zufällig vor einem schnuckeligen Bistro mit dem vielsagenden Namen "Le Hobbit". Da müssen wir natürlich rein! Und es lohnt sich: Rustikale Backsteinwände, kleine Holztische, ein netter Kellner (allerdings ohne nackte, behaarte Füße)... das Ambiente ist so gemütlich, dass jeder von uns sich erstmal ein großes Bier bestellt und Mirko sogar die französische Hintergrundbeschallungsmusik toll findet.
Am späten Nachmittag kehren wir zurück zu unserem Motorhome, dass wir auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums etwas entfernt vom Stadtkern geparkt haben.

Unser Weg führt uns weiter, raus aus Québec, über die Brücke ans andere Ufer des St. Lorenz-Stroms. Hier setzen wir nach einer kurzen Tankpause unsere Reise auf dem Highway 20 fort. Heute will's Mirko wissen und schrubbt ordentlich Kilometer runter. Wir fahren sogar bis weit in die Dämmerung hinein, halten dann aber schließlich an einem LKW Parkplatz, um dort die Nacht zu verbringen. Plötzlich sind wir nämlich so müde, dass wir nicht mal mehr Zeit und Lust haben, einen neuen Campingplatz zu suchen.
Am nächsten Morgen in aller Frühe geht es auch schon wieder weiter.
Das Land wird bergiger, der St.Lorenz-Strom wird breiter, das andere Ufer ist bald nur noch durch einen schwachen Dunstschleier sichtbar. Der Highway 20 endet schließlich bei Rivière-Du-Loup und wird von der Landstraße 132 abgelöst.
Es hat etwas für sich, nicht mehr Autobahn zu fahren, denn diese Route ist äußerst pittoresk. Links von uns die Küste, rechts von uns sanfte Hügel und grüne Wälder, kleine Ortschaften mit einzeln stehenden Häusern, Bauernhöfen, Kirchen, Feldern. Ab und zu riecht es nach Mist. Aber sonst ist alles bestens.
Unsere Laune ebenfalls. Das Motorhome läuft wie am Schnürchen, die Sonne lacht vom strahlendblauen Himmel, und wir sind auf dem Weg zu unserem ersten Nationalpark!

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