Sonntag, 29. März 2015

Heilfasten mit Frau Mi: Das Fazit.

Mittwoch: Der 3. Fastentag (ab 12:00 Uhr mittags) - Fehlalarm.
Tja, zu früh gefreut. Unsere Laune, die sich um die Mittagszeit tatsächlich noch halbwegs im Hurra-Zenit bewegt hat, fällt von Stunde zu Stunde wieder auf das Miesepeter-Level zurück.
Irgendwann ist der Kühlschrank fertig geputzt, der Boden ist fertig gewischt, und es gibt in der Wohnung nichts mehr für uns zu tun.
Och, denkt sich das Hungergefühl... jetzt könnte doch zur Abwechslung mal wieder ICH auf der Bildfläche erscheinen!
Es ist zum Ausflippen.
Unsere letzte Option: Raus aus den eigenen vier Wänden, die plötzlich immer näher und näher zu kommen scheinen.

Diesmal gibt es keinen Spaziergang - wir haben ja bereits am Vortag gemerkt, dass wir für lange Fußwege einfach nicht genug Energiereserven haben. Also entscheiden wir uns für einen Bummel durchs nahegelegene Einkaufszentrum.
Man spart ja ne ganze Menge Kohle, wenn man eine Woche lang kein Essen einkauft. Was spricht also dagegen, diese Kohle für anderen Krimskrams auszugeben?
Wir flanieren durch Buchläden, Dekoshops, Elektrofachgeschäfte und tragen sogar die ein oder andere Einkaufstüte raus.

Wieder zuhause angekommen gibt es Tee und Gemüsebrühe, bis uns beides fast zu den Ohren rauskommt. Den Rest des Abends gucken wir DVDs - warum sind in Filmen die Leute eigentlich ständig am Essen??!? - und flüchten uns wie immer sehr zeitig ins Land der Träume. Ich bete, dass mir im Traum ein All-You-Can-Eat-Buffet erscheint...

Donnerstag: Der 4. Fastentag - Frustshoppen deluxe!
Euphorie, wo bist Du??? Hallo?! Haaaaallo!!!!!
Blöde Kuh. Dich gibts doch gar nicht.
Zumindest nicht in Verbindung mit kulinarischer Enthaltsamkeit.
Ich fange langsam an zu zweifeln, ob wir das Fastenprojekt vielleicht mit der falschen Erwartungshaltung angegangen sind. Aber - eigentlich nicht!? Wir haben uns wirklich drauf gefreut, es mal auszuprobieren. Wir haben uns seelisch und moralisch drauf vorbereitet und die nötige Konsequenz mitgebracht. Aber der Nutzen, den wir bisher aus der ganzen Fasterei ziehen, steht für uns in keinem Verhältnis zum persönlichen Aufwand bzw. zum teilweise sehr schmerzhaften Verzicht.

Wie auch immer, diesen einen Tag haben wir noch zu überstehen. Morgen abend gibts den erlösenden Apfel, der das sogenannte "Fastenbrechen" einleiten soll. Eigentlich steht der laut Fastenplan erst Samstags auf dem Programm. Aber wir haben die Nase gestrichen voll und ziehen den Programmpunkt einfach um einen halben Tag vor.

"Eventuell aufkommender schlechter Laune oder Aggressionen begegnen Sie bewusst, ohne Ihre Gefühle zu unterdrücken", heißt es im Fastenratgeber.
Die Einkaufszentrum-Ablenkungsmethode hat gestern ganz gut funktioniert. Also schmeißen wir uns heute eben einfach nochmal ins Getümmel - diesmal aber in ein anderes Einkaufszentrum.
Man muss sich ja etwas Abwechslung gönnen.
Normalerweise bin ich kein Frustshopping-Typ. Aber an diesem Tag stürze ich mich von einer Umkleidekabine in die nächste.
Schlechte Laune, haha, reduzierte gestreifte Bluse von H&M für 19,99 Euro IN YOUR FACE!!

Wieder zuhause angekommen, geht es mir seelisch etwas besser.
Allerdings meldet sich von körperlicher Seite nun mein Kreislauf protestierend zu Wort, der diesen Shoppen-statt-Schlemmen-Lebensstil irgendwie überhaupt nicht cool findet.
Ganz zu schweigen von meinem völlig unterzuckerten Gehirn, das so etwas wie teilweise/völlige Konzentration überhaupt nicht mehr zulässt.
Kein Wunder, dass mir die einfachsten Wörter nicht mehr einfallen oder ich mitten im Satz vergesse, was ich eigentlich sag mal wie lange dauert es denn jetzt noch bis morgen scheiße mir ist kalt.

Da hilft nur das obligatorische tägliche Glas Buttermilch - Halleluja Buttermilch, muss ich an dieser Stelle mal sagen! Du hast mir die letzten Tage oft genug den Arsch gerettet, mich aus dem Leistungstief gezogen und mir mehr gebracht als die heiße Gemüseplörre. Alleine das Gefühl, etwas zu trinken, das aus festerer Konsistenz als Wasser besteht, war schon sehr tröstlich für mich und meinen Magen.

Auf dem Abendprogramm steht das Verfassen des Einkaufszettels für morgen. Ja, richtig - morgen gehts einkaufen! Die trostlose Leere des Kühlschranks besiegen! Endlich!
Der Einkaufszettel ist wichtig. Ohne den würde das Einkaufen in struktur- und haltloser Völlerei ausarten und wir würden mit zwei bis drei randvoll gefüllten Einkaufswägen aus dem Supermarkt stolpern. Nicht gut. Deshalb nachdenken, überlegen und nur aufschreiben, was wir wirklich brauchen.

Beim Schlafengehen komme ich mir vor wie ein ungeduldiges kleines Mädchen in der Nacht vor Heiligabend. Morgen Kinder wird's was geben...!

Freitag: Der 5. Fastentag / Fastenbrechen - Der Apfel schmeckt wie Apfel.
Tralali tralala, guten Morgen gute Laune! Guten Morgen Euphorie! Guten Morgen Pflaumensaft, auf gehts zur letzten Entleerungsrunde! Guten Morgen Welt! Guten Morgen Einkaufszettel, der du schon erwartungsvoll auf dem Tisch liegst und abgearbeitet werden möchtest!
Das Leben ist schön!

Nachdem wir gegen Mittag sicher sind, nicht mehr von unerwarteten Toilettengängen überrascht zu werden, gehts in den Supermarkt.
Hach, ist das toll! Endlich wieder andere Dinge als Tee und Brühwürfel in den Einkaufswagen packen. Endlich gibt's wieder frisches Obst und Gemüse, Wurst und Käse, Brötchen und Brot - und der Mann kauft sogar Mehl und Hefe, weil er sich dieses Wochenende - zur "Feier des Tages" quasi - mal selbst am Brotbacken versuchen möchte.
Ich bin überrascht, dass ich ausgerechnet jetzt, ausgerechnet an diesem Ort, kein Hungergefühl empfinde.
Deshalb läuft die ganze Sache auch sehr gesittet und strukturiert ab und am Ende hat der Wageninhalt nicht mehr Volumen als einer unserer durchschnittlichen Wochenendeinkäufe.


Wir sind wieder zuhause, alle Vorratsspeicher sind gefüllt, alle Lebensmittel verstaut, und jetzt kommt der große Augenblick:
Ich. Esse. Einen. Apfel.
Wenn man unzähligen und unabhängigen Erfahrungsberichten Glauben schenken mag, ist der Genuss dieses ersten Apfels nach der tagelangen Fastenzeit eine Explosion gigantischen Ausmaßes für die ausgehungerten Geschmacksnerven.
Ich wasche und viertle also diesen wunderbar glänzend grünen, runden, deliziösen Granny Smith Apfel, nehme das erste Stück in die Hand, führe es langsam und genüsslich zum Mund, beiße ein mittelgroßes Stück ab *SCHNURPSLKRACH* und kaue es laaaangsam und bedächtig.
Und stelle fest...

Es schmeckt nach Apfel. Joa.

Vielleicht brennt die Zunge ein klein wenig in den ersten Sekunden Apfelstückkontakt, wahrscheinlich aufgrund der Säure, meine Kiefermuskeln bewegen sich noch ziemlich schwerfällig und - ja, ich muss extralang kauen vorm Schlucken und ich brauche etwa doppelt so lange, um den Apfel zu verspeisen. Und ich bin danach pappsatt.
Aber die Geschmacksexplosion ist ausgeblieben.
Schade eigentlich.

Immerhin, mit einem Apfel im Magen mache ich mich auf den Weg zur freitagabendlichen Reitstunde, und bin froh, dass ich was Festes im Magen habe und keine Angst haben muss, vor Schwäche und Hunger vom Pferd zu fallen... so viel Energie kann mir das Äpfelchen schon liefern.
Und als ich später nach Hause komme, ist sogar noch Platz für eine Handvoll Salzstangen vorm Fernseher - mein Männe dagegen ist schon richtig fleißig am Futtern und strahlt seit Tagen endlich mal wieder übers ganze Gesicht.
Es hat einfach gefehlt, dieses Essen.
Und plötzlich werde ich unendlich müde, mein Kopf ist schwer wie Blei und ich möchte nur noch schlafen...
Ich fühle mich wie ein zusammengefallenes Kartenhaus und brauche das Wochenende dringend, um die Karten wieder aufzustellen.
Am nächsten Tag gibt es morgens Knäckebrot und mittags Putenschnitzel Natur mit Reis. Schonkost für mich und meinen malträtierten Magen, aber wie ich feststelle, harte Arbeit für meine Kaumuskeln. Ohne Scheiß: Ich habe Kaumuskelkater!!! Das erste Mal in meinem Leben!!!

Das war unser Fastenexperiment.

Meine persönliche Zusammenfassung:
4 Kilo Gewichtsverlust (die natürlich nur temporär sind - heute und jetzt sind schon wieder 1,5 Kilo drauf), 90% der Zeit waren wir schlecht gelaunt, 80% der Zeit hat man einen komischen Geschmack im Mund, der auch durchs Zähneputzen nicht weggeht - auffallend unangenehme Körperausdünstungen konnte ich jedoch nicht verzeichnen.
Gelegentlich zickt der Kreislauf und der Kopf, ich habe im Schnitt 2 Stunden weniger Schlaf pro Nacht gebraucht, meine Blutdruckwerte waren zeitweise niedriger als sonst, dafür war der Puls leicht erhöht.
Man kann das physische Hungergefühl locker bekämpfen, in dem man literweise Wasser oder Tee trinkt - das psychische Hungergefühl ist aber viel hartnäckiger und kaum zu verdrängen.
Man ist außer Stande, körperliche oder geistige Höchstleistungen zu erbringen, Ablenkung funktioniert am besten außerhalb der eigenen vier Wände oder durch Lesen - Film gucken lenkt leider nicht genug ab.
Ein halber Liter Pflaumensaft morgens auf nüchternen Magen hat eine höchst abführende Wirkung.
Das Essen schmeckt nach dem Fasten genauso wie vorher, vielleicht minimal intensiver, man tut sich am ersten Tag etwas schwer mit dem Kauen und braucht wesentlich länger für die Mahlzeit, was natürlich den positiven Effekt hat, dass man mit weniger Essen satt wird - Diesen Effekt versuche ich für mich noch möglichst lange zu nutzen.
Und: Man merkt erst einmal, wieviel Zeit man am Tag normalerweise mit Essen, mit der Zubereitung des Essens und mit dem ganzen Drumherum verbringt. Und diese Zeit ist kaum durch irgendwas anderes zu ersetzen.

Ansonsten muss ich sagen: Jetzt und hier haben wir keine besonderen Ambitionen, das Projekt zu wiederholen. Zumindest nicht mit der Buchinger Fastenmethode.
Wie oben schon erwähnt - Aufwand und Nutzen stehen für mich, für uns einfach in keinem lohnenswerten Verhältnis.

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