Hand aufs Herz: Wer von Euch hat noch etwas mit seiner besten Freundin / seinem besten Freund aus dem Kindergarten oder aus der Schulzeit zu tun? Wenn Ihr die Menschen analysiert, die Ihr so kennt - welche davon kennt Ihr am längsten? (Eltern, Geschwister und sonstige Verwandschaft mal ausgeschlossen..)
Ich für meinen Teil muss gestehen, dass ich leider mit niemandem aus meiner Kindergarten- oder Grundschulzeit mehr etwas zu tun habe.
Mit einer Schulkollegin aus der 6. Klasse hatte ich bis vor ca. 2 Jahren noch halbwegs regelmäßig Kontakt. Mittlerweile haben wir uns aber so weit voneinander entfernt, dass wir - selbst wenn es dann und wann noch einen SMS Austausch zwischen uns gibt - einfach keinen gemeinsamen Nenner mehr finden.
Vielleicht kommt es eines Tages mal wieder zu einer Begegnung, aber danach wird es wieder eine Ewigkeit bis zur nächsten dauern. Und von Freundschaft kann ja in diesem Fall keine Rede mehr sein.
Dabei waren wir von der 6. bis zur 9. Klasse wirklich "best friends".
Dann musste ich die 9. Klasse wiederholen, sie hat nach der 10. die Schule gewechselt und von dort ab haben sich unsere Wege getrennt. Wir haben es trotzdem noch recht lange geschafft, uns weiterhin regelmäßig zu sehen. Doch ich hatte mittlerweile neue Freunde in meiner neuen Klasse gefunden, genauso wie sie. Plötzlich hörten wir unterschiedliche Musik, wir zogen uns völlig verschiede Klamotten an, fanden komplett andere Jungs toll, und so fing unsere Beziehung langsam an zu bröckeln.
Ein ähnliches Phänomen erlebte ich mit meinem Freunden von der Mittelstufe bis zum Abitur. Als verschworene Gemeinschaft machten wir damals gemeinsam die Hochschulreife, dann fingen die einen ein Studium an, die anderen begannen eine Ausbildung, etliche zogen um und so zerstreute sich alles nach und nach im Wind.
Ich begann meine Buchhändlerausbildung in Mannheim, lernte dort neue Kollegen kennen, baute an einem anderen Ort einen komplett neuen Freundeskreis auf, und so ging es immer weiter und weiter.
Lebenslange Freundschaften sind was wirklich Tolles, aber heutzutage leider auch sehr sehr Seltenes. Die modernen Lebensumstände sorgen dafür, dass man nicht mehr sein ganzes Dasein an einem einzigen Ort fristet. Man zieht um, mal mehr mal weniger weit weg, lernt neue Menschen kennen, versucht mit den alten in Kontakt zu bleiben, manchmal funktioniert es, manchmal nicht.
Wenn ich nachrechne, wie lange die längsten Freundschaften
in meinem bisherigen Leben andauern, komme ich auf folgendes Ergebnis: In der Schulzeit lag der
Durchschnitt bei etwa 4 bis 5 Jahren.
Heute komme ich bei einigen wenigen Menschen sogar auf über 10 Jahre.
Soll heißen: Je später ich eine Freundschaft beginne, desdo dauerhafter wird sie wohl sein?
Natürlich gibt es keine Formel, um Freundschafts-Halbwertszeiten zu berechnen.
Doch eins steht fest: Wird man älter, festigt sich auch die eigene Persönlichkeit und der Charakter, somit
verfügen wir später über einen stabileren Freundschafts-Nährboden.
Dann gibt es ja diesen kleinen aber feinen Unterschied zwischen Freunden und Bekannten.
Uns bleibt im Alltag immer weniger Raum für private Dinge, und so focussieren wir uns irgendwann auf einen Personenkreis, mit dem wir trotz Arbeitsstress und Zeitmangel noch regelmäßigen Kontakt pflegen können und möchten. Jeder Mensch entscheidet nach eigenem Ermessen, wie groß dieser Kreis sein soll. Bei manchen zählt er 20-30 Personen, bei anderen beschränkt er sich auf 2 oder 3.
Die Menschen, die von uns in diesen Kreis eingeordnet werden, haben alle ein Merkmal gemeinsam. Sie haben den entscheidenden Schritt über die Grenze gesetzt, an der "Bekanntschaft" aufhört und "Freundschaft" anfängt.
Freunde sind die, die wir zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen können, die wir jederzeit aufsuchen, wenn wir ein Problem auf der Seele haben, mit denen wir schöne und traurige Dinge erleben und teilen, und offen über alles sprechen.
Bekannte sind die, mit denen man zwanglos smalltalken kann, wenn man sie
zufällig auf einer Party trifft. Bekannte sind die, deren Geburtstag
man ständig vergäße, wenn es nicht sowas wie Facebook geben würde.
Bekannte können auch verkümmerte Freundschaften sein.
Bei einer Freundschaft ist es erstmal völlig zweitrangig, wie lange wir diese Person kennen. Eine gute Freundschaft kann sich schnell entwickeln oder sich langsam aufbauen. Wichtig ist, dass sie auch mal Krisenzeiten übersteht, dass man jederzeit ehrlich zueinander sein kann, und dass der eine den anderen respektiert.
Und es gibt auch Freundschaften, denen große Distanzen oder längere Sendepausen nichts anhaben können.
Lange Rede, kurzer Sinn:
Mit einer guten Freundschaft ist fast genauso wie mit einer Beziehung oder einer Ehe. Das ständige Daran-Arbeiten, das gegenseitige Geben und Nehmen darf nie aufhören. Probleme, Streitigkeiten und Schickalsschläge lassen sich immer überstehen, so lange es beiden Seiten wichtig ist.
Und für all die Zeit und Mühe, welche wir in eine Freundschaft investieren, bekommen wir etwas Besonderes und Wichtiges zurück: Nämlich einen Menschen, der uns mag, obwohl er uns kennt.
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